about my paintings

by dr. ralf hartmann, 2002, catalog "leerzeit"

Dass Malerei kein einsamer Distanzierungsakt in der Abgeschiedenheit des Ateliers mehr sein kann, wird jedem klar, der sich in der heterogenen und disparaten Welt aktueller Kunstproduktion bewegt. Die Legende vom autonomen Künstler in der klaren Abgrenzung von Alltagswirklichkeit ist spätestens dann obsolet, wenn man Eva Licht in ihrem Lebens- und Arbeitsbereich besucht. Da ist nichts mehr von der inszenierten Kulisse künstlerischen Schaffens als idealer Konstruktion des 19. Jahrhunderts spürbar, sondern öffnet sich die Tür zu einem kulturellen Labor der Gegenwart, das vielseitiges Leben generiert. Eva Licht arbeitet nicht nur als Malerin, sondern entwirft auch das Design für Druckerzeugnisse vom Kunstkatalog bis zum Platten-Cover. Aus ihrem engen Zusammenleben mit Musikern, Künstlern und dem Publikum resultiert eine vitale Kraft der Beobachtung, die sich auch und insbesondere in ihren Portraits von Freunden und Kollegen artikuliert. In diesen Portraits schwelgt Eva Licht nicht in opulenten Inszenierungen, sondern reduziert ihre Wahrnehmung auf wenige prägnante Formen und eine deutliche Farbigkeit. Trotz aller Abstraktion entstehen so Charakterstudien zwischen Pop und Authentizität, in denen sich die Persönlichkeit der Dargestellten klarer abzeichnet als in manchem Foto oder einer weitschweifenden Biographie.
Die Bilder sind Bestandteil des privaten Wohnraums und wenn man für eine Tasse Kaffee und eine Zigarettenlänge mit Eva Licht auf dem Sofa vor ihnen Platz nimmt, wird die Verbindung von Wort und Bild, von Kunst und Leben zum Programm:
Die Malerin weiß, wie sie malt und wen sie malt, sie ist selbst Teil des kommunikativen Systems Kunst, in dessen lebendigem Mittelpunkt sie ebenso steht, wie sie daran als Beobachterin und Chronistin teilnimmt. Ich nehme ein vor mir liegendes Exemplar des Kunstforums zur Hand und während ich darin blättere und mir ihr Objekt 'Emerald' ansehe, erzählt Licht von persönlichen Gegenständen und Fetischen ihrer Kolleginnen und Kollegen, die sie in der transparenten, 2 m großen E-Gitarre aus Acrylglas zusammengetragen hat. Ich höre Geschichten aus dem Berlin der achtziger Jahre, von Pop und Punk, von Musik und Kunst und blicke über den Kaffeetisch auf Portraits von Ben Becker, Blixa Bargeld und anderen zurück. Zwischen der morbiden Salonkultur vergangener Zeiten und einer lichten Raumhöhe von beinahe fünf Metern entwickeln die kräftigen Farben der Bilder und die modernen Frisuren der Dargestellten den aktiven Bezug zur Gegenwart. Die Zigarette geht zu Ende, und ich habe in wenigen Minuten etwas über Kunst und Kultur in der Potsdamer Straße erfahren.

 

about the sculpture "the emerald"

by paolo bianchi, 1996, artmagazin "kunstforum" no.135, 1997

cool club cultures/ pilze im sauerteig oder "der mix ist alles"

........."bonus track4"

gleiches gilt für die kunst. eine neue weltkunst wird nicht mehr auf vielen instrumenten, sondern zunehmend auf einem einzigen rieseninstrument spielen- ein spiel mit vielen registern und stimmen. weltkünstlerische einstimmigkeit ist nicht abzusehen. die skulptur "the emerald - der smaragd (1991-1993) der berliner künstlerin eva licht verkörpert diesen integrativen geist. eine geplante lp/cd compilation sowie eine cd-rom werden das projekt vervollständigen.

die um zwei meter hohe gitarrenskulptur wird von der künstlerin als "kulturelle batterie" bezeichnet. das acrylglasgehäuse, das die form einer halbakustischen gretsch-gitarre von 1951 imitiert, enthält und vereint eine fülle von gegenständen. " auf den ersten blick mag es wie eine sammlung von müll aussehen, aber es sind eben keine ready mades im sinne duchamps, sondern eher fetische oder artefakte gelebten alltags", erklärt eva licht.

die skulptur enthält dinge unter anderem folgender künstler und musiker. die haut schickte ein t-shirt und lydia lunch einen stempelkuß-brief. max goldt, sänger von foyer des arts, überließ ein paar hausschlüpfer in hasenform. alan vega, new yorker elektronikmusiker und künstler, schuf eine "sculpture within the sculpture" aus weggeworfenem spielzeug und bedankte sich bei eva licht mit den zeilen: "i like the idea of a 'cultural battery'. when i worked on the contribution for your emerald sculpture i got some good inspiration for my own work." die kultband residents fabrizierte ein mit schwarzem tape verklebtes kästchen, darauf ein typisches augenapfel-männchen á la residents. der wahre heino besorgte, wie konnte es auch anders sein, eine heino-schummerbilligbrille. wolfgang müller von die tödliche doris lieferte eine ausgetrunkene weißweinflasche mit bandetikette drauf. us-sänger jello biafra about my paintings schickte ein exemplar seiner zeitung "fuck facts!" von oskar sala, pionier der elektronischen musik und im hitchcock-film "die vögel" für den sound der vögel zuständig, stammt das manual zu einem selbsterfundenem instrument, dem trautonium. blixa bargeld von den einstürzenden neubauten kam mit dem abgebrochenen hals seiner ersten gitarre daher. la monte young/marian zazeela schickte die partitur "cathedral of dreams". moritz reichelt von der gruppe der plan gab zwei "fuzzy dices", zwei würfel aus viscose, die man normalerweise als glücksbringer an den rückspiegel im auto hängt.

eva licht hat vor allem künstler angesprochen die durch eine interdisziplinäre arbeitsweise aufgefallen sind. "seit mitte der 70er jahre gab es zunehmend den trend zum experiementieren mit verschiedenen kunstformen. bildende künstler griffen zur gitarre und gründeten punkbands, schriftsteller wurden filmemacher, musiker schrieben bücher usw. mcluhans forderung 'das medium ist die botschaft' wurde immer öfter umgesetzt. der autonome künstler mit dem pinsel vor der leinwand war ein anachronismus geworden", sagt licht. "wir kinder von warhol und fluxus hatten unsere lektion gelernt und mit malcom mclaren einen neuen meister der vermarktung des aktualisierten popbegriffs hervorgebracht. "cash from chaos" (the great rock 'n' roll swindel) ist der richtungsweisende slogan des ausgehenden jahrhunderts."

 

[x]